Erfahrungsbericht Babsi

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Im Jahr 2000 sollte, als ich meine Volljährigkeit erlangt und damit meine Unabhängigkeit erkämpft hatte, ein Zweithund zur fast erblindeten Cockerdame Peggy-Sue dazukommen. Mein damaliger Freund übernahm das Aussuchen. Das Tierheim in der Grabenstraße in Graz bot sich an – angenehmere Besuchszeiten (auch samstags), schnell abgewickelte Bürokratie, so sagte man. Es sollte unbedingt ein Tierheimhund werden, denn wir wollten eine gute Tat tun.
Wir sahen uns nicht, wie es heutzutage üblich gewesen wäre, zuerst im Internet um, sondern wir fuhren einfach hin. Und mit einem zweiten Hund wieder heim. Die kleine, braune Eroberung hieß Babsi und hörte (leider!) erstaunlich gut auf diesen Namen, als dessen Pendant sich nichts ähnlich Klingendes finden ließ. Wir mussten uns daran gewöhnen …
Wir gingen beim Aussuchen des Hundes rein nach dem Äußeren vor. Von den Bediensteten mischte sich niemand ein, es beriet auch niemand. Und eigentlich interessierte auch niemanden, dass es einen Ersthund gab und wohin denn Babsi zukünftig siedeln würde.
Die braune Mischlingshündin saß mit anderen, viel älteren Hunden in einem Innenzwinger. Ganz abseits, wenig welpenhaft, eher teilnahmslos. Das war uns sympathisch, weil es unser Mitleid sofort weckte. Der Vorsatz, eine gute Tat zu tun, ging sofort auf. Wir retteten ein trauriges Hündchen.
Das Betreuungspersonal wusste nichts über sie zu erzählen, aber wir hatten unsere Entscheidung ohnehin getroffen. Die Formalitäten waren in null komma nix erledigt. Fragen, was wir arbeiteten, wie wir lebten, wo wir wohnten – Fehlanzeige! Bis auf unsere Namen und Telefonnummern mussten wir nichts preisgeben. Hund eingepackt – heimgefahren – nie mehr was gehört vom Tierheim. Vielleicht wäre das jetzt anders. Es ist ja auch schon 15 Jahre her …
3Zuhause waren alle Vorkehrungen getroffen. Als Studentin hatte ich viel Zeit und Energie, um mich von nun an um zwei Hunde zu kümmern. Babsi entwickelte einige Eigenheiten, ihr Gemütszustand konnte sich innerhalb von Sekundenbruchteilen ändern und sie überraschte mit ständig neuen, überraschenden Verhaltensweisen, während sich die Abrufbarkeit gleichzeitig perfektionieren ließ – eine eigenartige Mischung, die uns aber einen recht entspannten Alltag ermöglichte.
Babsi war nicht so leicht zu handlen wie meine Cockerhündin, fügte sich anfangs scheinbar mühelos ins Beziehungsgefüge von Hund und Mensch, entschied später aber wie es schien nach Lust und Laune, ob sie Sympathie verspürte oder beschützen wollte, also musste ich meine Sinne schärfen und dazulernen und vertiefte mich einmal mehr in das Wesen der Hunde und wie es sich gewaltlos formen lässt. Auch lernte ich, dass pubertierende Hunde nicht verlässlich sind, von ihrem Zyklus stark im Verhalten beeinflusst werden und Welpen nicht mögen (Welpen, diese besten aller Geschöpfe – es war mir unverständlich!). So gesehen hatte Babsi mit dem schüchternen kleinen Welpen im Tierheim, der mit gesenktem Kopf auf Rettung wartete, bald nichts mehr gemeinsam. Diese Erfahrungen und alles Wissen, das ich mir seit frühesten Kindheitstagen rund um den Hund angeeignet hatte, haben mir den Weg geebnet in meine heutige Tätigkeit, die ich mit Leidenschaft ausübe: das Hundetraining.
Babsi blieb Zeit ihres Lebens eine zart besaitete Hündin, die eine besonders enge Bindung zu ihren Menschen entwickelte, der Stubenreinheit über alles ging, die eigenmächtig beschützte, wenn sie es für richtig hielt – das nicht zu leugnende Ridgeback-Erbe? – und immer dabei sein wollte, wenn ihre Menschen aktiv waren. Sie blieb bis ins hohe Alter fit, ernährte sich bevorzugt von nicht für Hunde gedachten Gustostückchen und bat im 14. Lebensjahr zur Wand gewandt und teilnahmslos um Erlösung …1
Babsi hat keine Marotten gezeigt, die ein Nicht-Tierheimhund nicht auch hätte entwickeln können. Ob sie aufgrund ihrer Kindheit im Tierheim schlecht geprägt war, lässt sich schwer feststellen. In der Kommunikation mit Artgenossen blieb sie ungeschickt bis rüpelhaft, vermied aber Konflikte bis auf ganz wenige Ausnahmen, die sich durch die Abrufbarkeit als wenig verhängnisvoll herausstellten. Männer mochte sie selten, sie blieb distanziert, hat in einer brenzligen Situation, als sie mit dem Herrli unterwegs war, auch einmal einen Mann gebissen, der sich unfreundlich näherte. Das passierte im Ausland und brachte eine Reihe von Komplikationen mit sich. Etwas Vergleichbares ereignete sich aufgrund besonders erhöhter Vorsicht nie wieder.
Alleinbleiben war schwierig. Die vielen Umzüge verstärkten das Problem. Ihr Zuhause war Herrlis Auto.
Würde ich wieder einen Tierheimhund nehmen? Ja. Auf jeden Fall. Aber ich würde mich besser darauf einstellen, dass er Eigenheiten entwickeln kann, die im Alltag Probleme mit sich bringen. Im Unterschied zu damals wüsste ich damit umzugehen, ohne erst lesen, lernen und recherchieren zu müssen 😉

Vielen Dank an Kerstin für den Bericht und das Bereitstellen der Fotos!

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