Häufige Abgabegründe

Wenn es ums Thema Hunde aus dem Tierheim geht, liest man (leider) häufig die Meinung dass im Tierheim ohnehin nur die auffälligen Hunde landen würden, die alle den ein oder anderen „Schaden“ hätten. Meist sind damit Verhaltensprobleme gemeint. Aber wenngleich natürlich in Tierheimen unter anderem auch Hunde landen, die beim Besitzer problematisches Verhalten zeigten und genau deshalb ins Tierheim kamen, gibt es tatsächlich eine große Vielfalt an Abgabegründen.
Es ist sehr schade, dass sich die Mär vom „verrückten“ Tierheimhund selbst unter erfahrenen Hundehaltern zum Teil noch so eisern hält. Jeder der schon einmal selbst im Tierschutz tätig wurde weiß, dass diese Pauschalaussage so nicht stimmt. Viele der Abgabegründe haben gar nicht so stark mit dem Hund an sich zu tun wie man meinen möchte.

Problemhund oder Opfer unglücklicher Umstände?

Problemhund oder Opfer unglücklicher Umstände?

Häufige Abgabegründe sind:

Umzug (manchmal gemeinsam mit einer beruflichen Veränderung): in der neuen Wohnung ist der Hund nicht erlaubt;

Familiäre Veränderungen: nach einer Trennung oder Scheidung bleibt der Hund über, denn keiner der Beteiligten möchte den Hund behalten; Durch die Geburt eines Kindes bleibt zu wenig Zeit für den Hund;

Krankheit oder Todesfall: der Hundebesitzer erkrankt oder verstirbt und es gibt keine Möglichkeit, den Hund weiter in der Familie zu betreuen;

Finanzielles: der Hund verursacht zu hohe Kosten (leider betrifft das oft Hundesenioren, die ihr ganzes bisheriges Leben in der Familie verbracht haben);

Unüberlegte Anschaffung: Die Hundehaltung war zwar anfangs ganz lustig, ist aber eigentlich doch nichts, dass man auf Dauer erhalten möchte (dies betrifft oft niedliche Welpen, die aber natürlich irgendwann dem Welpenalter entwachsen und zu lebendigen Junghunden werden);

Verhaltensprobleme: der Hund zeigt ein „Problemverhalten“ mit dem der Halter nicht klar kommt (Training wird zum Teil abgelehnt weil es zu kosten- oder zeitintensiv ist);

Mitbewohner: man wollte einem Hund die Chance auf ein Zuhause geben, aber die tierischen Mitbewohner die bereits in der Familie leben (Hunde, Katzen oder auch andere Kleintiere) und der Neuankömmling vertragen sich nicht;


Informationen vom Vorbesitzer

IMG_6020Wenn ein Hund direkt von den Vorbesitzern im Tierheim abgegeben wurde (im Gegensatz zum herrenlos gefundenen Hund), befragt das Tierheim normalerweise den Vorbesitzer über die wichtigsten bekannten Eigenschaften des Hundes und nimmt diese in eine Kartei auf. Dort sind dann Informationen enthalten wie das genaue Alter des Hundes, Gesundheitszustand, welches Futter der Hund kennt, ob er alleine bleiben kann und auch warum der Hund nun ins Tierheim „muss“. Es passiert allerdings regelmäßig, dass Hunde im Tierheim abgegeben werden ohne dass die Menschen den wahren Abgabegrund nennen. Die Beweggründe dafür können unterschiedlich sein und sollen hier nicht bewertet werden. Häufig werden in solchen Fällen erfundene Abgabegründe vorgeschoben. Der „Klassiker“ wäre die Allergie gegen Hundehaare die ein Familienmitglied plötzlich entwickelt hat. Aber auch Gründe die sich auf ein bestimmtes Verhalten des Hundes beziehen können genannt werden. In dieser Hinsicht sind daher Abgabegründe immer etwas mit Vorsicht zu betrachten: nicht alles davon muss unbedingt stimmen.

Andererseits kann es genauso vorkommen, dass ein Hund im früheren Zuhause Verhaltensweisen zeigte, die im Tierheim überhaupt nicht mehr zu beobachten sind. Es kann also eine bestimmte Beschreibung des Hundes vom Vorbesitzer stimmen, auch wenn es während des Tierheimaufenthaltes gar nicht danach aussieht. Dies ist entweder durch die veränderte Lebenssituation im Tierheim bewirkt – häufig verbunden mit viel Stress der auf die Hunde einprasselt – wodurch das Verhalten eines Hundes insgesamt verändert wird: gewisse Reaktionen werden eventuell verstärkt, andere hingegen vielleicht temporär verringert. Ein klassisches Beispiel wäre, dass viele Hunde vor ihrem TIerheimaufenthalt ziemlich brav und ohne Zug an der Leine laufen konnten, während sie sich im Tierheim durch Bewegungsmangel und Stress schnell in Leinenzerrer verwandeln. Nach einer Vermittlung kann dieses Verhalten bei manchen Hunden auch ganz ohne extra Training von selber wieder verschwinden, als passive Folge der veränderten Lebensumstände.
Anders herum kann es auch passieren dass ein Verhalten das der Hund laut Angabe der Vorbesitzer zeigte, im Tierheim nicht zu beobachten ist, weil sich dort schlicht und einfach die Situationen in denen es vorkam, nicht oder nur kaum ergeben. Relativ oft tritt so etwas zum Beispiel bei Verteidigung bestimmter Ressourcen auf, die im Tierheim nicht existieren. Ein im Einzelzwinger gehaltener Hund muss zum Beispiel kein Futter und keine Liegeplätze vor anderen Artgenossen verteidigen, und es kann sein dass er im Tierheim nicht einmal Tendenzen dazu zeigt, weil ihm Artgenossen schlicht nie so nahe kommen dass er in das Verteidigungsverhalten kippt. Er weiß dass kein anderer Hund seinen Zwinger oder Auslauf betreten wird. Der gleiche Hund könnte dieses Verhalten aber durchaus wieder an den Tag legen, sobald er in einen Haushalt mit anderen Tieren vermittelt wird.

IMG_1923Und schließlich werden viele Dinge auch sehr stark von der Passung zwischen Hund und Mensch beeinflusst. So kann ein bestimmtes Verhalten beim Vorbesitzer zum Beispiel dadurch hervorgerufen worden sein, dass die Haltungsbedingungen (dazu gehört Pflege, Auslauf, Beschäftigung,…..) für den Hund nicht optimal waren. Im neuen Zuhause kann sich das ändern und der veränderte Alltag bewirkt, dass alte Problemstellen vermindert, anders, oder gar nicht mehr auftreten. Außerdem kann es sein, dass bestimmte Verhaltensweisen eines Hundes für den einen Menschen aufgrund seiner Lebenssituation ein großes Problem im Alltag darstellen, während ein anderer Mensch diese überhaupt nicht als problematisch empfindet. Ein Hund mit starkem „Wachtrieb“ kann in einer Stadtwohnung mit vielen Nachbarn zum Beispiel problematisch sein, während er auf einem zu bewachenden Grundstück am Land genau richtig
ist.

Bezüglich der Abgabegründe lässt sich also zusammenfassen:

1. Nicht immer stimmt alles, was der Vorbesitzer über den Hund bei der Abgabe im Tierheim
angegeben hat.

2. Die Angaben des Vorbesitzers sollten trotzdem aufmerksam aufgenommen werden, denn manchmal treten bestimmte Verhaltensweisen (positive wie negative) im Tierheim nicht auf, können aber nach der Vermittlung im neuen Zuhause wieder sichtbar werden.

3. Was als problematisch eingestuft wird, ist sehr subjektiv. Außerdem verändert sich Hundeverhalten oft auch in Zusammenspiel mit dem jeweiligen Menschen und ist somit für jedes Mensch-Hund-Team einzigartig. Die Abgabegründe des Vorbesitzers kann und soll der Hundeinteressent daher für sich selbst in ihrer Wichtigkeit neu beurteilen.